Klinik Königshof

Spieglein, Spieglein an der Wand

Der Blick in den Spiegel gibt ein zufriedenes Gefühl. Die Person, die uns dort entgegenblickt, ist schon ganz schön toll. Sie vollbringt wahre Wunder und ist für die Menschheit ein großer Gewinn. Klingt etwas überzogen? Willkommen im Leben eines Narzissten.

Ganz so einfach ist die Trennung zwischen einem normalen Selbstwert und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung freilich nicht. In der Praxis arbeiten wir mit einem Persönlichkeitsfragebogen und überprüfen verschiedene Kriterien: Hat die Person ein enormes Größengefühl in Bezug auf ihre eigene Bedeutung? Beschäftigt sie sich stetig mit Fantasien über ihre unbegrenzten Erfolge? Ist sie der Überzeugung, etwas ganz Besonderes zu sein und deshalb auch übermäßige Bewunderung zu verdienen? Hat sie nur Kontakt zu Menschen, die sie ebenfalls für besonders hält oder nutzt sie zwischenmenschliche Beziehungen regelmäßig aus, um Vorteile zu erlangen? Auch ein Mangel an Empathie und Neid auf andere sowie ein arrogantes, hochmütiges Verhalten sind Kriterien, die wir für die Beurteilung heranziehen.

Am Ende ist es eine genaue Beobachtung, die uns hilft, die Persönlichkeitsstörung zu erkennen und oftmals ist Narzissmus auch nicht im Vollbild ausgeprägt, sondern eher als Akzentuierung. Häufig kommen Betroffene auch nicht mit dem Wissen zu uns in die Praxis, dass sie unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden, sondern aufgrund anderer Krisen, die sich dadurch abzeichnen. Die meisten Patient*innen kommen wegen einer Depression zu uns und erst im Laufe der Behandlung offenbaren sich narzisstische Verhaltensmuster.

Narzisstische Menschen wirken oftmals zwar sehr arrogant, aber dahinter verbirgt sich eine enorme Unsicherheit. Heutzutage unterscheiden wir auch zwischen dem vulnerablen Narzissmus, der oft bei Frauen auftritt, und dem grandiosen Narzissmus. Gerade beim vulnerablen oder auch verdeckten Narzissmus sind die Betroffenen sehr auf Harmonie bedacht und machen oft alles, um ihrem Partner oder ihrer Partnerin zu gefallen. Sie versuchen, durch ihr Aussehen Anerkennung zu bekommen und machen sich oft klein. Auch hier kann der Leidensdruck aber groß sein, sodass eine Verhaltenstherapie sinnvoll ist.

Der Blick in den Spiegel ist also nicht das Problem. Ganz im Gegenteil: ein gesundes Selbstwertgefühl ist gut. Wird die eigene Persönlichkeit hingegen als übermäßig besonders wahrgenommen, lohnt es sich, einen Blick hinter die Fassade zu werfen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit,
Ihre Kim Schlangenotto

Klinik Königshof
Am Dreifaltigkeitskloster 16
47807 Krefeld
Telefon: 02151 – 8233 00, für Notfälle: 02151 – 8233-6032
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Foto: Luis Nelsen
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